Bei der Aufnahme von stereoskopischem Videomaterial müssen ein paar wichtige Grundregeln beachtet werden.
Sonst stellt man hinterher beim Schnitt des Videos fest, dass wichtige Szenen gar nicht verwendet werden können und es entsteht kein vollständiger Film.
Die Regeln für stereoskopische Aufnahmen unterscheiden sich leider fundamental von denen für ein normales Video:
Bloss keine Schwenks und Kamerafahrten
Bei normalen Filmaufnahmen werden Kamerakrane und Schienensysteme für Kamerabewegungen eingesetzt. Ohne diese Fahrten und Schwenks wird der Film schnell langweilig.
Mit VR180 ist der Zuschauer aber selber im Geschehen. Er macht seine „Schwenks“ einfach selber, indem er den Kopf bewegt. Bei VR180-Videos kann man eine Szene durchaus längere Zeit einfach stehen lassen, damit sich der Zuschauer in Ruhe umschauen kann.
Trotzdem sollte man natürlich irgendwann die Perspektive wechseln – aber bitte nur mit einem Schnitt.
Das bedeutet in der Praxis:
- Aufnahme beenden
- Kamera neu Positionieren
- Kamera wieder einschalten
- Kamera unbedingt erst mal einen Moment laufen lassen
- Die neue Szene beginnt
Warum sind Kameraschwenks verboten?
Beim Anschauen des VR-Videos denkt das Gehirn des Zuschauers, es wäre wirklich in der Szene, weil die Illusion so perfekt ist. Wird bei der Aufnahme die Kamera nun bewegt oder geschwenkt, registriert das Gehirn die Bewegung als Bewegung des eigenen Körpers. Gleichzeitig signalisiert das Gleichgewichtsorgan im Mittelohr aber absoluten Stillstand. Das Ergebnis ist eine Art Seekrankheit, die im VR-Bereich dann den Namen „Motion Sickness“ trägt.
Genau wie bei der Seekrankheit ist nicht jeder Mensch gleichermaßen davon betroffen. Wenn Ihnen persönlich die Schwenks also nichts ausmachen, bauen Sie trotzdem keine ein. Es sei denn, dass Sie Ihre Filme dann wirklich nur ganz alleine anschauen wollen.
Ich habe beobachtet, dass junge Menschen deutlich weniger von Motion Sickness betroffen sind. Mit zunehmendem Alter wird das schlimmer. Sollten Sie also aktuell keine Probleme haben, bedeutet das nicht, dass das immer so bleibt.
Wohin gehört das Hauptmotiv?
Eine VR180-Kamera nimmt in der Form einer Halbkugel alles auf, was sich vor Ihr abspielt. Also auch was rechts und links und oben und unten passiert.
Deshalb braucht die Kamera auch keinen Kontrollmonitor. Man erwischt das Motiv eigentlich immer, solange es sich vor der Kamera befindet. Aber es macht schon großen Sinn, die Kamera so zu positionieren, dass das Hauptmotiv sich ungefähr geradeaus vor der Kamera befindet. Der Zuschauer findet sich besser zurecht und wenn man nach oben oder unten schaut wird die Bildqualität auch schlechter.
Ausnahme: Bewegt sich das Hausptmotiv durch das Bild, ist es anfangs und am Ende der Bewegung irgendwo an der Seite und nur zwischendurch im Zentrum - wir dürfen ja keine Schwenks machen…
Möglichst nahe ran für den 3D-Effekt?
Je weiter etwas weg ist, desto weniger 3D-Effekt bleibt übrig. Das ist wie im richtigen Leben, wenn man mit den eigenen Augen schaut.
Je näher man rangeht, umso unterschiedlicher werden die von der rechten und linken Kamera aufgenommenen Bilder. Genau dieser Unterschied sorgt dann für den 3D-Effekt und die Tiefenwirkung.
Geht man beim Filmen zu nahe ran, wird man beim Anschauen des Filmes den Eindruck haben zu schielen – auch wie im richtigen Leben.
Solche Bilder kann man sich dann wirklich nicht anschauen. Das Filmmaterial ist nicht zu gebrauchen.
Also: 30 cm Abstand sollten es schon mindestens sein – auch wenn manche Hauptdarsteller unbedingt näher an die Kamera ran wollen….
Bloß nicht wackeln!
Viele Videoschnittprogramme bieten die Möglichkeit einer nachträglichen Bildstabilisierung. Manchmal kann das auch die Software, mit der man aus dem speziellen Videoformat der Kamera ein normales Videoformat erzeugt. Bei dieser Stabilisierung wird das aufgenommene Bild normalerweise kleiner geschnitten. Das geschieht für jedes Bild anders und zusammengenommen so, dass das wackelig aufgekommene Bild am End still zu stehen scheint.
Bei einem VR180-Video haben wir nun 2 Bilder nebeneinander liegende Bilder. Wenn wir dort ringsum etwas abschneiden, ist der Stereoeffekt zerstört. Das Bild kann in der VR-Brille nicht mehr angeschaut werden. Die normalem Stabilisierungsfunktion der Videoschnittsoftware funktioniert also nicht.
Wird bei der Stabilisierung berücksichtigt, dass es sich um ein VR180-Videohandelt, kann das Stabilisieren gelingen. Aber sie verlieren dabei an Auflösung. Im nächsten Kapitel erfahren Sie, warum die Auflösung bein VR180 ohnehin ein kritischer Faktor ist.
Nutzen Sie lieber ein Stativ – ein Selfy-Stick, an den man einen Fuß schrauben kann, reicht schon aus. VR180 Kameras sind oft klein und leicht.
Eine wirklich ruhige Hand – die am Körper irgendwo angelehnt den Selfy-Stick hält, führt auch zu einer hinreichend ruhigen Aufnahme.
Geringe Auflösung trotz 5K ??
VR180 macht ab einer Sensorauflösung von 5K überhaupt erst Sinn. Trotz 5K lässt die Auflösung beim Anschauen der Filme mitunter zu wünschen übrig. Das kommt daher, dass mit der vorhandenen Auflösung alle Blickwinkel bis 90 Grad nach oben, unten, links und rechts abgebildet werden müssen. In einer VR-Brille schaut man sich dann immer nur den passenden Bildausschnitt für die jeweilige Blickrichtung an. Das sind dann nur noch ungefähr 30% der Auflösung. Ein Rechenbeispiel:
- Eine Insta EVO Kamera hat eine recht gute Auflösung von 5760 x 2880 Pixel (5.7 k) für beide Bilder.
- Das Bild für ein Auge hat dann noch 2880 x 2880 Pixel.
- 30% sind dann aber gerade noch 864 x 864 Pixel, die man sich in der VR-Brille anschaut.
Das reicht für einen guten VR-Eindruck absolut aus. Es ist aber nicht wirklich hochauflösend und hat nichts mehr mit 5k zu tun.
Was muss man beachten, damit es trotzdem nicht pixelig wird?
Eine Person, die sich vor der Kamera befindet wird in der Regel hinreichend scharf und klar abgebildet. Nimmt man aber Landschaften auf oder weiter entfernte Gebäude, dann kann der Kamerasensor keine Details mehr abbilden. Hat man etwas im Vordergrund und der Hintergrund ist nicht nur Beiwerk, sondern soll auch betrachtet werden, so fällt der Unterschied der Auflösung deutlich auf.
Grundsätzlich ist so eine VR180-Kamera für Dinge, die weiter weg sind, nicht so gut geeignet. Ein Zoom ist nicht eingebaut. Der 3D-Effekt entfällt bei solchen Aufnahmen ja auch. Optimal sind Aufnahmen in Räumen, die durch irgendwas begrenzt sind. Draußen unter einer Brücke zum Beispiel. Der Räumliche Effekt in einem Restaurant oder Geschäft ist zum Beispiel sehr beeindruckend. Alles ist dort hinreichend scharf – egal wohin man schaut.
Man muss bei der Aufnahme von VR180-Videos schon etwas aufpassen, da man das Ergebnis erst in der VR-Brille sieht.
Was ist mit Schärfe und Belichtung?
Wenn man gleichzeitig alles aufnimmt, was halbkugelförmig - 180 Grad um einen herum ist, kann es schnell passieren, dass rechts und links ganz unterschiedliche Lichtverhältnisse vorherrschen.
Vermeiden Sie solche Situationen. Solche Helligkeitsunterschiede kann ein Sensor nicht abbilden. Entweder ist der Blick in eine Richtung nachher zu dunkel oder der Blick in die andere Richtung überstrahlt – oder beides. Das Videomaterial ist dann evtl. noch mit einer Nachbearbeitung halbwegs zu retten. Meist ist es aber Ausschuss.
Die Kamera wird normalerweise versuchen, alles scharf abzubilden. Der Sensor ist klein – mit genügend Licht gelingt das. Grundsätzlich kann aber eigentlich nicht gleichzeitig alles was nah und fern ist, scharf abgebildet werden. Unser Auge fokussiert auch immer nur auf eine Entfernung.
Da man bei einer VR180-Kamera immer in verschiedene Richtigen gleichzeitig aufnimmt, ist das Risiko besonders groß, dass man gleichzeitig Objekte aufnimmt, die nah dran und weiter weg sind. Das Ergebnis ist ein Kompromiss. Die Kamera wird aber bevorzugt Dinge scharf abbilden, die näher vor der Kamera sind. Das macht normalerweise auch Sinn.
Warum wird alles weichgezeichnet?
Je nach Kamera wird man feststellen, dass auch Objekte, die nah vor der Kamera sind scheinbar scharf sind, trotzdem irgendwie weichgezeichnet wirken. Die Haut einer Person hat dann keine Poren - wirkt wie das Gesicht einer Puppe. Die Ursache ist in diesem Fall nicht die mangelnde Sensorauflösung, sondern die Kompression des Videosignals.
Ein 5K-Videoastream verursacht eine Flut von Daten die verarbeitet und auf die Speicherkarte geschrieben werden müssen. Deshalb wird das Videosignal komprimiert, wobei Bildinformation verloren gehen. Die Kompression ist also nicht verlustfrei.
Je nach Kameramodell ist die Kompression unterschiedlich stark. Einen Einfluss hat man darauf leider meist nicht.
Zusammenfassung
Das waren nun doch viele Punkte, an die man denken sollte.
- Keine Schwenks - niemals
- Nicht wackeln - gar nicht
- 30 cm Mindestabstand
- Hauptmotiv in die Mitte
- Längere Szenen, in denen sich der Betrachter in Ruhe umsehen kann
- Keine zu unterschiedlichen Lichtverhältnisse
- Keine Motive in größerer Entfernung
- Auf optische Begrenzungen als Hintergrund achten
Sicher gelingt es nicht auf Anhieb, an alles zu denken. Aber man erleidet nicht sofort kompletten Schiffbruch, wenn man die Dinge im Hinterkopf behält und weitestgehend berücksichtigt.